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Gehetzt... (Ein Rätsel?)
12.01.2010 12:19 |
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... wie ein räudiger Hund durch die Straßen getrieben. Straßen einer alten, bekannten Stadt. Die Wunden der Schläge im Hinterkopf. Die Qual als Motor des Drangs diesen nie wieder ausgesetzt zu sein. Getrieben durch Rastlosigkeit und Eile. Jetzt nur nicht zurückschauen. Nicht auf die Schatten achten, die jedem Schritt folgen. Wenig Spuren hinterlassen in dem diffusen Gewirr der Vergangenheit. Immer weiter in eine Richtung, stürmend, beständig, notfalls humpelnd. Die Zeit wird immer knapper... Durch sie die Möglichkeiten, die einst unendlich schienen und nun in veränderter Form als Karikatur ihrer selbst am Ziel warten. Die Fährte der Wahrheit verschwimmt mit jedem gequälten Atemzug. Urteile und Veränderung sind nur noch Schemen in der verschlungenen Kulisse der Gegenwart. Sie verlieren an Relevanz; alles verliert an Bedeutung auf der Suche nach der Zeit. Der Suche die kein Ende kennt, nur einen Ausweg. Weitermachen. Nicht aufgeben. Nicht innehalten. Weiterhetzen um dem zu entgehen, was nie erdacht wurde. Dem Schrecken der Verpassens von Wesentlichem. Die Füße schmerzen. Das ist gut, es bedeutet Huldigung des Gebotes, welches ja nicht umsonst so viele Jünger hat. Bewegung. Mit ihr die Veränderung von allem. Die Umstrukturierung und Vergänglichkeit von geliebten Erinnerung.
Erinnerungen, die nur eines unterstützen. Jetzt nur nicht zurückschauen. Nicht zurückfallen in die Bedeutungslosigkeit. In die Monotonie der Masse. Hindernisse überspringen, sich nicht mit ihnen befassen. Keine Lehren aus ihnen ziehen. Alles ist vergänglich. Alles ist schon tot, bevor es überhaupt wusste, dass es doch am Leben ist. Nur ich bin am Leben und ich renne, weiter, schneller, sicherer. Stolpern ist nicht erlaubt. Fehler sind in einem vorgezeichneten Weg nicht vorgesehen. Fehler werden nur von anderen gemacht. Der Weg war schon schön oh ja... Er war es, aber er wird es nie wieder sein. Notwendigkeiten sind nicht schön. Wege sind Notwendigkeiten. Dieser verlangt nach Eile, nach Perfektion. Ich weiß was mich erwartet. Es ist das einzige was ich weiß... Und es fühlt sich so verführerisch an mit jedem Sprung, mit jeder vergangenen Sekunde näher ins Licht zu treten. In das Licht, dass nie jemand außer mir sehen wird. Denn es ist nur für mich da! Nur ich kann diesen Weg gehen und deswegen muss ich mich auch nicht auf Unwesentliches konzentrieren. Ich muss mich nicht an Schönheiten am Wegesrand erfreuen. Ich muss nichts schmecken, sehen, hören, riechen oder ertasten. Ich muss nichts fühlen um zu laufen. Es ist ein Automatismus der Sicherheit bietet in dieser unsicheren Zeit. In dieser grausamen Periode, die nichts liebt außer die anderen. Mittlerweile sind die eigenen Gefühle ohnehin nicht mehr zu mir gehörig. Sie sind nur Statisten in der Biographie der Eile. Sinnlose, leere Hüllen ohne Mehrwert. Deswegen werde ich nicht zurückschauen! Ich werde nicht zurückfallen! Ich werde in alle Ewigkeit mein Ziel verfolgen! Die Zeit ist nicht von Bedeutung, was zählt ist die Veränderung. Die Umwälzung dessen, was eben noch erstrebenswert war. Und so laufe, gehe, hetze ich meinen Weg und es ist das einzige, was ich tue.
Jetzt nur nicht zurückschauen; nicht die Frage stellen, nicht diese Frage! Nicht die Frage nach dem Sinn stellen, nicht die Antwort, den Grund verfolgen...
Wer bin ich?
Dosis sola facit venenum - Paracelsus -
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David unregistriert
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EIn Amokläufer, ein Verzweifelter, ein Selbstmörder?
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Nein
Aber es besteht eine Verbindung...
Dosis sola facit venenum - Paracelsus -
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Zitat: |
Jemand, der kurz vor einem Burnout steht? |
Das ist sehr nahe. Muss nicht unbedingt eine Person sein. Die Frage könnte auch mit Was beginnen.
Dosis sola facit venenum - Paracelsus -
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@llisill
Guter Text. Hat definitiv mein Interesse geweckt, was auch nicht oft vorkommt. (Thumbs up!) Dass es keine Person ist steht im Widerspruch mit den Platzwunden am Kopf und der Stadt durch dieses etwas marschiert. Es klingt für mich stark nach dem (nach heutigen Maßstäben, leider) typischen Menschen der verkrampft nach etwas sucht das er draußen niemals finden kann. Innere Sicherheit. Er läuft vor der Vergangenheit weg, traut sich nicht seine Existenz zu erfahren, und versteift sich auf ein einziges Ziel das er erfüllen muss. Ich tendiere stark zu der Ansicht dass du Sterben meinst. Mit dem Licht usw ist es ja ziemlich offensichtlich. Vielleicht ist es ein Karrieremensch, der gepeilt hat dass Geld doch nicht alles ist. Und so rennt er gejagt durch seine Ängste, durchs Leben, in freudiger Erwartung zu sterben und seiner Hatz ein Ende zu setzen.
Vielleicht wolltest du auch auf einen bestimmten Gegenstand hinaus, was ja oft in solchen Rätseln so üblich so. Allerdings geht die Komplexität und dass er sich seiner extrem bewusst ist (Allerdings nicht so bewusst um einen Moment in sich zu kehren) auch für ein Rätsel zu weit.
Beim Lesen des Textes musste ich unwillkürlich an Hitler denken, kurz vor seinem Tod (Oder während des 1.Weltkrieges ("Grausame Periode?"), da war er ja auch schon eine gescheiterte Existenz). So in etwa das muss in einem Menschen vor sich gehen der auf den Abgrund zusteuert, und der Fanatismus mit der er seinen Weg geht hat auch gepasst. ("Ich werde in alle Ewigkeit mein Ziel verfolgen!") Und das mit der bekannten Stadt würde auch passen. Also wenn du diesen Menschen charakterisieren wolltest hast du die Gemütlage ja super hingekriegt zu haben. Wie gesagt: Den Text zu lesen war echt ein Hochgenuß. Weiter so.
Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von DonBaron am 13.01.2010 18:06.
"Most people are so ungrateful to be alive, but not you, not any more... "
„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“
"Man verdirbt einen Jüngling am sichersten, wenn man ihn anleitet, den Gleichdenkenden höher zu achten, als den Andersdenkenden. "
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Vielen Dank für das positive Feedback. Ich gebe zu, die Schläge und die Stadt sind figurativ gemeint und sollten nicht auf eine Person abzielen. Aber ich lasse es noch ein bisschen hier rumstehen, bevor ichs auflöse. Vielleicht findet ja noch jemand ein bisschen Zerstreuung darin
Dosis sola facit venenum - Paracelsus -
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Mein spontaner Gedanke war: gerade achtzehn geworden. Oder die Schule beendet/ Lehre begonnen. Der Satz "nun beginnt der Ernst des Lebens" schwingt unweigerlich mit und gegen die Wehr, diesen "Ernst" als solchen wahr- bzw. ernst zu nehmen. Welcher Ernst? Welches Leben? Welche Richtung? Welches Ich?.... das sind die Fragen, die hier (meiner Meinung nach) deutlich hervorstechen. Der Ernst der nun faktisch gewordenen Pflicht zur Anpassung, das Maul seinem (neuen) Chef gegenüber zu halten, das zu tun, wonach die Masse schreit.... ? Das "ich scheiß eigentlich drauf, hätte ich nur die Kraft, dem gänzlich zu widerstehen" ist ein weiteres Ding, das ich da herauszulesen meine.
So, nun doch mein Versuch, des Rätsels Lösung zu "knacken" wennschon ich mich eingentlich nicht beteiligen wollte.
"Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten"
von Götz Alzmann abgewandeltes Zitat eines Tucholski- Spruches
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