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...er wird ja eh dafür bezahlt.
25.07.2008 03:51 |
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Die Leiden in der heutgen Welt
werden sehr oft etwas verstellt.
Wenn man jemanden weinen sieht
ist es doch klar was da geschieht:
Er will nur Mitleid.
Und wenn sich trotz unserer Härte
die uns das Leben eben lehrte
jemand es schafft in unsrer Kälte
etwas zu rühren, was doch fehlte,
es schnell aus unsern Mündern schallt:
der wird doch eh dafür bezahlt...
Wenn wir die Qualen täglich sehen
manchmal direkt daneben stehen
wie einer Narben übermalt
der wird doch eh dafür bezahlt...
Aus dunklem Zimmer dröhnt ein Knall
die Frau hat Wunden überalll
er läuft aus ihrem Zimmer, strahlt,
sie wird doch eh dafür bezahlt....
Wenn wir den Boden hier verschmutzen
rennt Andre her, und muss es putzen.
Er stöhnt und ächzt, denn er ist alt
doch wird er dafür eh bezahlt....
Und auf dem Bau, da fließt der Schweiß
und mutlos`Klage hört man leis.
Ein Mann, er fällt auf den Asphalt,
der wird doch eh dafür bezahlt...
Die Frau am Stand mit den Maronen,
hofft täglich "heut wird es sich lohnen"
sie zittert stark, es ist ihr kalt,
sie wird doch dafür eh bezahlt....
Der Mann am Fließband ist verrückt
er hat sich viel zu oft gebückt
sein Geist und Körper stirbt wohl bald
doch wird er ja dafür bezahlt...
Die Sekretärin von der Firma
ist sogar Samstag bis 10 Uhr da.
Ein Fehler nur ,Frau, und es knallt
doch wird sie ja dafür bezahlt....
Der kleine Franz sitzt auf der Straße
fertigt die Schrauben nach dem Maße
sein Lohn hat sich sein Chef gekrallt
doch wird er auch dafür bezahlt.
Und so rechtfertigen wir häufig
von Leiden, das uns schon geläufig
den ganzen Jammer dieser Welt
damit, der Junge kriegt ja Geld,
er wird ja auch dafür bezahlt
und kriegt ja auch so sein Gehalt.
Und jeder muss auf seine Weise
sich eben helfen aus der Scheiße.
Doch für nen Euro, kannst mir sagen,
(es knurrt seit Tagen schon dein Magen),
und einer kommt und will dich fragen:
Darf er dich für nen Euro schlagen?!
Er schlägt und niemand sagt ihm "Halt"
sondern " er wird dafür bezahlt"...
Seien wir realistisch- versuchen wir das Unmögliche!
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Was mich inspiriert hat, dieses Gedicht zu schreiben war ein gewisser Urlaub in Spanien, an dem ich einige Touristen sah , die das abstrakte Denken in Geld so intus hatten, dass sie DIenstleistungen wie das am Strand massieren lassen von einer Asiatin für selbstverständlich hielten und keinerlei Interesse oder ein "danke" an der/die Person von ihnen zu hören war..... Nix Zwischenmenschliches, durch Ausbeutung bekommenes Geld als Bezahlung geben und die erbettelte Dienstleistung nehmend...wahrscheinlich dabei noch ein gutes Gewissen habend, der Person "geholfen" zu haben.....
Seien wir realistisch- versuchen wir das Unmögliche!
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dian unregistriert
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Ich denke, es ist einer der perversesten Auswüchse der modernen Zeit, dass Job und Privatleben so strikt voneinander getrennt werden, dass man irgendwann gar nicht mehr merkt, dass man da einen Menschen vor sich hat, der einem gerade die Schuhe putzt, sondern nur noch dessen Funktion wahrnimmt.
Allerdings finde ich, dass das nicht unbedingt nur die Schuld der "Kunden" ist.
Klar könnten die auch mal netter zu den Leuten sein, von denen sie eine Dienstleistung bekommen... aber das Problem reicht ja noch ein wenig tiefer.
Der Mediamarkt-Verkäufer, der sich nicht wie ein dienstbarer Roboter, sondern wie ein echter Mensch verhält, der wird über kurz oder lang gefeuert werden.
Ebenso verhält es sich mit dem Büroangestellten, der sich während der Arbeitszeit Pornos anschaut, oder dem Finanzbeamten, der Menschlichkeit zeigt und Schuldnern auf Mitgefühl einen Teil ihrer Schulden erlässt.
Das System verlangt von den Menschen doch geradezu, dass sie während der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit aufhören, Mensch zu sein, und zu einer reinen Kunstfigur werden.
Das bringt man den Kids ja schon in der Schule in den Bewerbungstrainings bei, dass sie eine schleimtriefende Maske tragen sollen und sich verstellen müssen bis zum geht nicht mehr, um im Berufsleben Erfolg zu haben.
Dass die Kunden dann, wenn sie solchen unechten Kunstfiguren gegenüberstehen, diese nicht mehr als reale Menschen betrachten, ist doch dann eigentlich nur logische Konsequenz aus diesem antrainierten Verhalten... und ich kann das auch bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen.
Wenn ich beispielsweise so einen Werbeanruf von irgendeinem schleimigen Callcenter-Angestellten bekomme... warum sollte ich da freundlich sein oder mich gar bedanken, nur weil das höchstwahrscheinlich ein armer Student ist, der den Job auch bloß deshalb macht, weil er das Geld braucht?
Oder der Typ von der Bank, der mir neulich zum Geburtstag gratuliert hat, obwohl ich genau weiß, der macht das nur, weil ich Kunde bin, und eigentlich geht ihm mein Geburtstag oder meine Gesundheit komplett am Arsch vorbei...
Oder der Schaffner, der gewissenhaft jeden Schwarzfahrer notiert, um seinem Arbeitgeber mehr Einnahmen zu ermöglichen...
Wieso sollte ich den als echten Menschen behandeln, wenn er sich selber nicht wie ein echter Mensch, sondern wie ein seelenloser Roboter verhält??
Die Menschen machen es einem zuweilen auch ganz schön schwer, sie noch als lebende, atmende und scheißende Wesen zu identifizieren...
Wobei bei dem, was du in Spanien erlebt hast, natürlich auch noch die unterschwellige Verachtung durch das antrainierte Hierarchiedenken hinzukommt.
Der Urlauber weiß genau, dass sein Gegenüber ihm vom Lebensstandard her weit unterlegen ist... nur deshalb erlaubt er sich, dieses Gegenüber wie ein Stück Dreck zu behandeln.
Jede Wette, die selben Leute, die sich da ohne zu bedanken massieren lassen, würden, wenn sie einem Anwalt oder einem Arzt gegenüberstünden, plötzlich erstaunlich höflich, kultiviert und dankbar sein können.
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Hansi unregistriert
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Zitat: |
Wenn ich beispielsweise so einen Werbeanruf von irgendeinem schleimigen Callcenter-Angestellten bekomme... warum sollte ich da freundlich sein oder mich gar bedanken, nur weil das höchstwahrscheinlich ein armer Student ist, der den Job auch bloß deshalb macht, weil er das Geld braucht? |
Hey, dass nehm ich direkt mal persönlich
. Da ich ja selber mal so ein schleimiger Telefonsklave war, weiß ich aber natürlich was @Dian meint. Es ist halt ein sehr zweischneidiges Schwert. Zum einen weiß man, was man da eigentlich für eine Scheiße macht und dabei noch mit Füßen getreten wird (von Vorgesetzten, als auch irgendwie zurecht von den genervten Leuten auf der anderen Seite der Leitung). Und alles nur, damit man monatlich seine Miete zahlen konnte und was zu essen hatte. Wobei ich sagen muss, dass manchmal, in seltenen Fällen auch zu menschlichen Gesprächen kam, die man dann als Werbefuzzi natürlich irgendwie leider recht schnell unterbinden musste, falls die Leitung überwacht wurde um zu kontrollieren ob man auch ja nur seinen Job macht, zum kotzen. Kein Wunder das ich das nich länger als ein halbes Jahr durchgehalten hatte, aber mein Weg ist eben nicht für jeden geeignet, also denkt das nächste mal bitte dran, wenn ihr nen Werbeanruf bekommt, am anderen Ende sitzt auch nur ein Mensch, oder fragt mal ob ihr den Vorgesetzten sprechen dürft und pampt den voll, denn der hat es mit Sicherheit mehr verdient.
Edit: Achso, übrigens schönes Gedicht @Bakunins Bart
.
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Thx;-)
Denke auch, dass der Mensch durch die Macht-Verhältnisse in diesem System zum Roboter-Sein großteils verdammt ist, doch muss man die Masse der Menschen erst einmal überhaupt für dieses Thema sensibilisieren.
Denke viele sind schon so abgestumpft durch diesen Teufelskreis, so gefangen in der Welt des Waren-Austauschs, dass sie nur noch wenig Gefühl haben für die Ungerechtigkeiten. Und ich denke so ein Gefühl war ja Ursprung bei uns allen, dass wir merkten, dass bei der Gesellschaft was nciht stimmen kann....
Und auf kurz oder lang muss man dann zum Schluss kommen, dass sich das nur durch einen System-Wechsel wirklich ändern kann.
Seien wir realistisch- versuchen wir das Unmögliche!
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Hansi unregistriert
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Zitat: |
Und ich denke so ein Gefühl war ja Ursprung bei uns allen, dass wir merkten, dass bei der Gesellschaft was nciht stimmen kann.... |
Mh nee, also bei mir (und ich denke noch ganz vielen anderen Usern hier) gab es dieses Gefühl schon, bevor man in die schillernde Arbeitswelt eingetreten ist. Bei mir ging das schon zu Kindertagen los, damals verstand ich es natürlich noch nicht, aber irgendwie konnte ich schon damals mit den wenigsten Erwachsenen und ihren Kindern was anfangen, weil sie mir irgendwie völlig seltsam erschienen bzw. eigentlich ich ihnen seltsam erschien. Also irgendwie fühlte ich mich noch nie "zuhause" in diesem System, damals war das halt eher ein Bauchgefühl, aber reingepasst ins System hab ich noch nie.
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Echt gut, das Gedicht!
Inzwischen sind die "Hallo"´s und "Auf Wiedersehens"´s in den Supermärkten so ruotiniert, das die Sklaven-Verkäufer sich richtig freuen, wenn man ihnen dabei ins Gesicht sieht und auch noch lächelt.
Jemand wie ich, dem das selbstverständlich ist, freundlichkeiten ernst zu meinen, fühlt sich irgendwie gleich wie ein Samariter, bloß weil man "schönen Feierabend noch!" gesagt hat und das auch so meinte.
Doch jede andere Art von Freundlichkeit, wie ein kleiner Plausch mit der Kassiererin, wird rigoros von anderen Kunden mti Verachtung bestraft, schließlich will man wieder heim und vor die Glotze.
Ich denke, sollte es einmal zu einer Revolution kommen, wären die Kassierer die ersten, die auf der Straße ständen. Ich kann mit kaum vorstellen, das man sich an das "Hallo-piep,piep,piep,piep-Tschüß" gewöhnen kann...
@Hansi: Eine der prägendsten Erlebnisse meiner frühen Jugend war, das jemand dafür respektiert werden wollte, nur weil er neue Schuhe hatte. Spätestens da habe ich mich angefangen zu fragen, in was für einer Welt ich lebe
.
"Einige Menschen in diesem Land sind sehr reich, aber die meisten von euch sind sehr, sehr arm. Und wisst ihr wieso? Weil ihr alle faule Säcke seid! Euer Land braucht Geld. Aber ihr könnt leider nicht genug Geld beschaffen. Also sag ich euch, was wir tun müssen: Wir werden die Krankenhäuser zumachen und den Leuten Arbeit geben und mehr Raketen herstellen!!"
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Leberkrebs unregistriert
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Das ist ja auch eine wesentliche Funktion von Hartz-IV, das dem Großteil der Bevölkerung eine Gruppe Menschen präsentiert wird, die man wie Dreck behandeln und als Asoziale betrachten darf. Da fühlt sich der schikanierte Bauarbeiter mit schmerzenden Knochen gleich besser, wenn er einen Arbeitslosen Sandsack hat zum verbalen Draufschlagen mit Stammtischparolen.
Es ist erschreckend was gerade auch in ländlichen Gegenden über Hartz-IV gedacht wird. Bei einer Kirmes in der Eifel bekam ich jüngst am Bierstand wieder Gespräche mit, wo unter allgemeiner Zustimmung verbreitet wurde das Arbeitslose alles bezahlt bekämen. Zitat : "Denen wird die Wohnung und Strom und Wasser bezahlt und bekommen noch 700€ extra. Und ich geh 1100 netto zum Bau!" blabla bla...gröhl...aus der Hose schraub...den Max mach...
Und von den Gesprächspartnern allseits begeisterte Zustimmung und jeder hatte sofort noch ne private Story über die "Privilegien" der faulen Arbeitslosen...
Ich hätte dem am liebsten mein Bier ins Gesicht gekotzt!
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Arne Kroger unregistriert
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Naja, evtl. sollte man mal überprüfen, wer denn hier überhaupt noch von dieser Art der Arbeit betroffen ist. Meines Wissens sind hier nur noch @Tzakahra und @Quaid von dieser Form der Lohnarbeit betroffen.
Viel häufiger sind hier aber Probleme von Menschen, die eben in selbstverwalteten Projekten arbeiten wie @Hansi und ich, die eben überhaupt keine Trennung mehr von Privat- und Berufsleben mehr kennen.
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Zitat: |
Original von dian
Wobei bei dem, was du in Spanien erlebt hast, natürlich auch noch die unterschwellige Verachtung durch das antrainierte Hierarchiedenken hinzukommt. |
Das wird in einem Lied von Hans Soellner perfekt beschrieben:
Der Deutsche Tourist
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