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Meinungen?
30.04.2009 00:59 |
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Ichhabe einmal einen text von vor zwei Jahren herausgekramt, dessen Inhalt ich hier gern diskutieren würde:
Oft hört man, dass Härte in diesen Zeiten ein Attribut ist, das von großer Wichtig- und Notwendigkeit geprägt besteht. “Wir befinden uns in einem ständigen Kampf und jeder ist ein potentieller Gegner” - so oder ähnlich könnte die Aussage der Vertreter jener Hypothese lauten, die hiermit eine Art dauerhaften Kriegszustand behaupten, in welchem jeder Mensch gegen jeden kämpfen kann und auch muss. Alle gegen alle, hieße das Motto und positive Emotionen werden als Last und oder als Schwäche empfunden.
Der Nährboden sämtlicher Konkurrenzgefühle ist somit in einem jeden Menschen und was wir ernten sind Hass, Neid, Eifersucht, Missgunst, Lügen Heuchelei und dergleichen.
Menschliche Härte, das heißt, die Resistenz gegen möglichst jede Art von Gefühlen, sowie das Streben nach der Perfektion, das Leben und all seine Facetten rational betrachten, beurteilen und schließlich meistern zu können.
Logik sollte alles Fühlen überdecken, sodass der Mensch alles und jeden berechnen kann, um vor “feindlichen Schlägen” geschützt zu sein. Solch ein Schlag kann dann im Grunde alles sein und wird als vorsätzliche Handlung des Gegenüber aufgefasst. So besteht das Risiko, jegliche Aktionen eines anderen Menschen als rational und berechnet zu verstehen, woraus der Irrglaube entsteht, dass jener Mensch “mir” etwas böses will. Als ein Automatismus stellt sich eine Antihaltung ein, die ein objektives Beurteilen der Situation erschwert. Missverständnisse entstehen, und führen zu Konflikten, die hätten vermeidbar sein können.
Weil in jedem Wort, in jeder Handlung der tiefere Sinn gesucht und versucht wird, die Boshaftigkeit der Aktion oder des Wortes zu finden, kann kaum etwas geschehen, ohne dass der Suchende nicht auf den Willen des Anderen stößt, dem Suchenden etwas “anzutun”. So wird beinahe jede Handlung, fast jede Aktion zu einem Angriff, denn selten findet der Suchende nichts, dass ihn zu veranlassen imstande ist, die scheinbare und aber nicht oft wirkliche, Boshaftigkeit zu erkennen.
Dieses Denken und das damit verbundene krampfhafte Suchen nach dem tiefen Sinn, dem Bösen in der Handlung und den Worten des Gegenüber führt zu einer Anspannung sondergleichen, die bald als nicht vorhanden, weil Gewöhnung, empfunden und somit nicht mehr wahr genommen wird. Hieraus resultiert ein Zustand steter Belastung, die nicht, oder nur oberflächlich Klärung finden kann. Jedes Handeln entspringt einer gewissen Unfreiheit. Nichts oder nur Weniges kann unbefangen aufgenommen und vom Geist beurteilt werden, da alles durch den Filter der Ratio fällt und die Menschlichkeit nur noch unbewusst erfasst und erlebt wird.
Durch diese Spannungen entsteht Druck, der ebenfalls als solcher nicht wahr genommen wird. Die Pressur der Ratio auf das emotionale Sein, die ewige Suche nach der Absicht zu verletzen, beschränkt die Handlungsautonomie auf ein Minimum kalter Logik, die sich fernab von jeglicher Menschlichkeit bewegt. Alles ist schabloniert, das Leben existiert nur in Rastern und Formeln. Hierdurch sind Verletzlichkeit und das sprichwörtliche “aus allen Wolken fallen” vorprogrammiert, denn viele Situationen sind nicht in ihren Tragweiten, wenn überhaupt, vorherzusehen, plan- und schablonierbar. Wird der “Betroffene” nun mit einer solchen Situation konfrontiert, folgt ein Schockzustand, der je nach Schwere schlecht oder gar nicht verarbeitet wird. Das wiederum führt dazu, dass diese Situation als Negum wahrgenommen, und jede ähnliche in Zukunft falsch definiert wird, da sie nun als Schablone vorliegt und mit den negativen Empfindungen verglichen wird.
Vieles fällt durch das Raster der Ratio, besteht die Prüfung im Vergleich mit Ähnlichem in der Vergangenheit nicht, was im Grunde als gut und also positiv wahrgenommen werden könnte. Weitere Missverständnisse entstehen und das Fundament des Seins besteht aus irrealen Fakten.
Nun ist Logik als solche nichts falsches. Rationalität ist ebenso wichtig, wie das logische Prinzip, doch ist ein Urteilen aus Zahlen und Strukturen, aus vergleichlichen Situationen ohne Bezugnahme der emotionalen Gegenwart nur insofern als richtig anzusehen, als es sich um logische und rationale Voraussetzungen, wie etwa die tatsächlich basische Beschäftigung mit diversen/ und oder der Wissenschaft/en handelt.
Im sozialen Gefüge, in der Beziehung zwischen Menschen also, ist es schier unangebracht, allein rational/ logisch zu urteilen. Emotionen sind es, womit wir auf Äußerlichkeiten reagieren, ob diese nun verdrängt und also unbewusst, oder (menschlicher) absolut bewusst wahr genommen werden.
Das Verdrängen dieser Emotionen birgt ebenfalls das Risiko schwerwiegender psychischer wie physischer Erkrankungen, wie etwa Depressionen.
Darüber hinaus entsteht die unbewusste oder auch bewusste Voraussetzung (jedoch nur scheinbar), dass alle Menschen aus kalter Logik und frei von sich agieren. Raster, Typismen von Menschen werden angelegt, dieselben kategorisiert und nach reinem Passcode beurteilt. Allein Logik entscheidet, wie ein Mensch ist, ob dieser es wert ist, näher betrachtet und zugelassen zu werden, in den Kreis derer einzutreten, die allgemeinhin als Freunde und/ oder Bekannte gelten.
"Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten"
von Götz Alzmann abgewandeltes Zitat eines Tucholski- Spruches
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Die Gegenüberstellung von Emotionalität und Logik halte ich in einer ausschließlichen Form für nicht korrekt.
Auch, wenn die Grundlage meines Handels eine emotionale Grundlage hat, muss ich, um meine emotionale Handlung so durchzuführen, dass sie mir eben keinerlei Depressionen schafft, ein logisches Handeln immerhin einschließen, sonst bin ich eben nachher frustriert, dass meine Emotionalistät keine positiven Folgen für mich hat. (Kann sein, dass auch das zu rationalistisch gedacht ist und wir einfach eine andere Vorstellung von emotionalem Handeln haben, dann müsstest Du das noch mal genauer erläutern.)
Am Anfang des Textes steht auch noch die Frage des Menschenbildes.
So viele Gründe habe ich eigentlich in meinem bisherigen Leben auch nicht finden können, ein ausschließlich positives Menschenbild zu erlangen. In einer komplexen Struktur, in der wie eben durch Sachen wie Staat usw. leben müssen, gibt es wenig Anlaß imo davon auszugehen, dass z.B., um das mal auf Gruppen zu übertragen, alle unterschiedlichen Gruppen Interessen haben könnten, die gleichzeitig für alle gleichwertig zu befriedigen sind, ohne dass eine andere Gruppe einen Nachteil hat. Das schließt aber nicht aus, dass nebenher noch im privaten Umfeld Personen bestehen, die man einfach als Gesellschaft gerne hat, weil man sie mag (ohne diese irgendwo rational zu betrachten als Gegner, der bekämpft werden muss).
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RE: Meinungen?
30.04.2009 11:06 |
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im prinzip würde ich zustimmen, dass wir uns in einem permanenten kampf befinden. nur dürfte man "kampf" nicht mit der eigentlichen bedeutung stehen lassen. denn dazu gehöre ja dann z.b. auch das behaupten seiner selbst innerhalb einer gruppe - selbst wenn man diese gruppe garnicht so gut kennt.
man würde verhindern wollen, dass man als schwach abgestempelt und ausgelacht wird.
allerdings würde ich bei den emotionen widersprechen wollen.
jemand, der innerhalb einer gruppe lacht, zeigt wohlbefinden. lacht jemand nicht, könnte das eher bedeuten, dass bei diesem jemand nicht alles in ordnung ist, er also sprichwörtlich den kampf verloren hat.
da ich es so sehe, ergibt sich der rest des textes
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dian unregistriert
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@ Skeptiker:
Zitat: |
Logik sollte alles Fühlen überdecken, sodass der Mensch alles und jeden berechnen kann, um vor “feindlichen Schlägen” geschützt zu sein. |
Zitat: |
So besteht das Risiko, jegliche Aktionen eines anderen Menschen als rational und berechnet zu verstehen, woraus der Irrglaube entsteht, dass jener Mensch “mir” etwas böses will. |
Aber genaugenommen hat dieses Denken mit Logik nicht all zu viel zu tun. Das blinde Verlassen auf die Logik, mit der Absicht, dadurch besser vor allen möglichen Gefahren geschützt zu sein, ist doch eigentlich das Resultat von heftigen Emotionen, von Panik und der Angst davor, im Leben zu kurz zu kommen.
Würde ich an andere Menschen mit echter Rationalität und Logik herangehen, so würde ich mich doch in der Regel nicht von deren Aktionen provoziert fühlen, sondern ich würde eventuell erkennen, dass derjenige, der mich in aggressiver Tonlage anbrüllt, vielleicht nur einen schlechten Tag hatte... und dass der Nachbar, der mir mit Klage droht, eigentlich gar nichts gegen mich persönlich hat, sondern dass er einfach in der Kindheit von seinem Vater ein paar mal zu oft verprügelt wurde, und davon eben den einen oder anderen Schaden davongetragen hat.
Oder nehmen wir einen Politiker... so den typischen "Schreibtischtäter", der durch eine Unterschrift, nach scheinbar ganz rationalen Gesichtspunkten und völlig ungerührt, über das Schicksal von tausenden Menschen entscheidet.
Ist ein solcher Mensch wirklich die Verkörperung von Ratio und Logik? Oder ist es nicht eher so, dass dieser Mensch innerlich zutiefst verkrüppelt ist, weil ihm von Kindesbeinen an eingetrichtert wurde, seine Gefühle zu verleugnen?
Das ist aber dann keine echte Rationalität in meinen Augen. Rationalität, die man aus Angst vor Strafe oder Angst vor schlechten Zukunftsaussichten angenommen hat, kann nicht echt sein. Wer im Namen einer solchen, eingetrichterten Rationalität Entscheidungen trifft, wird sicher, wie du ja erwähnt hast, überall Feinde sehen und sich ständig vor diesen zu rechtfertigen und zu schützen versuchen.
Ich persönlich finde ja immer eher, dass die Menschen durch ihre Emotionen fehlgeleitet werden.
Sie können vielleicht wunderbar ihre Mitmenschen und deren Handeln analysieren... aber beim eigenen Handeln, bei den eigenen Emotionen, versagen diese analytischen Fähigkeiten.. einfach, weil die Menschen zu wenig Abstand zu sich selbst haben.
Dabei ist Abstand doch meines Erachtens nicht gerade unbedeutend für unsere Entwicklung....
Erst die Distanz hilft uns, Vorgänge richtig einzuordnen.
Etwa, wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke: Da musste ich erst zum Außenseiter werden, der auf der hintersten Bank sitzt und sich so gut wie nie an einem Gespräch beteiligt, um die ganzen Mechanismen und Gruppendynamiken, die in so einer Gemeinschaft bestehen, richtig zu deuten und analysieren zu können.
Als ich hingegen zu dicht dran war und mit den anderen in jeder freien Minute herumgeblödelt habe, war mir das alles gar nicht aufgefallen.
Erst die Distanz hat mir geholfen, das Verhalten und die Menschen richtig einzuordnen.
Und so empfinde ich auch Distanz zu sich selbst, zu den eigenen Wünschen und Gefühlen, nicht als unnatürliche Deformation, sondern eher als einen Weg zur Selbsterkenntnis (auf dem man sich natürlich auch verlaufen kann).
Ich denke, wir müssen unterscheiden zwischen der Rationalität, die Gefühle verleugnet... und der Rationalität, die Gefühle zu verstehen und zu analyisieren versucht.
Ersteres ist, vor allem durch die autoritäre Erziehung der Vergangenheit, leider ziemlich weit verbreitet... vor allem natürlich bei Staatsdienern und sonstigen "Entscheidungsträgern".
Letzteres hingegen müssen die meisten Menschen erst noch lernen.
Sie sind zwar wunderbar rational, wenn es darum geht, die Karriereleiter zu erklimmen und dabei kein schlechtes Gewissen zu haben... aber wenn es um den Grund geht, warum diese Karriereleiter überhaupt existieren muss, oder warum es einem so wichtig ist, diese zu erklimmen, dann versagt die Rationalität komplett, weil man sich nicht eingestehen möchte, dass alles nur deshalb so ist, wie es ist, weil zu viele Menschen (genau wie man selber) manipuliert, bedroht und gehirngewaschen wurden.
Um noch mal ein konkretes Beispiel für diesen Unterschied zu nennen:
Im Nationalsozialismus gab es auch ganz viele Menschen, die sich prima darauf verstanden, ihre Gefühle auszuschalten und ganz rational andere Menschen in die Gaskammer zu schicken.
Doch der Ursprung dieses Verhaltens, der Grund, warum diese Leute überhaupt so geworden sind, lag eben nicht in der Rationalität, sondern in (man verzeihe mir dieses Wortspiel) "entarteten Emotionen" wie beispielsweise Nationalstolz, Machtgier und der masochistischen Sehnsucht nach einem strengen Messias.
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So, endlich find ich die Zeit, mich zu Wort zu melden:
Grundsätzlich sei gesagt, dass dieser Text mit einem Fragezeichen enden sollte, was mir die Antworten ja auch bestätigen. Feststellend war hier also nichts. Diese Beobachtungen und also die textliche Frage stellte ich vor einigen Jahren an, als ich mich in meinem doch recht kleinen Bekanntenkreis, hier, in der Sargstadt diesbezüglich genauer umsah.
Ich denke, das wurde ja auch schon gesagt, dass eine tatsächliche Trennung, zwischen Emotionalitätund Ratio nicht möglich ist, auch, wenn das einige gern so hätten, um das Menschsein noch steuerbarer zu machen. Leider ist es wirklich so, dass (zumindest in meinem Umfeld) einige versuchen, sich über das Fühlen hinwegzusetzen ud ausschließlich rational zu handeln, was eben nach hinten losgeht, wie es im Text selbst ja schon steht.
"Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten"
von Götz Alzmann abgewandeltes Zitat eines Tucholski- Spruches
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Also, gerade das letztere habe ich in meiner Umgebung gar nicht feststellen können.
Okay, gut, beruflich habe ich auch oftmals mit Menschen zu tun, die nicht wissen wie man Logik buchstabieren könnte und infolgedessen sowieso keine andere Möglichkeit haben als nach ihrem Gefühl zu handeln. (Was auch manchmal ganz lehrreich sein kann, weil man dann bemerkt, wie stark man selber schon in völlige rationale Handlungsweisen drinsteckt, bzw. manchmal sogar erkennt, dass sie gar nicht SO rational sind, wie man meint.)
Aber auch ansosnten erleeb ich meine Umwelt eher so, dass sie nicht rational handelt.
Evtl. verstehe ich da was falsch, aber schildere mal, wie sich das ausdrückt Deiner Ansicht nach, wenn Menschen eher rational als emotional handeln.
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Vielleicht liege ich da auch falsch und sehe erzwungene Versuche sich ausschließlich in der Ratio zu bewegen, obschon das ganze Handeln doch eher emotionalen Strukturen obliegt. Es geht mir besonders um zwei meiner Bekannten, die als Kinder auch nicht gerade in den Topf mit Klugheit gefallen sind. Da ist zum einen der stete Versuch, Menschen im Umfeld unter allen Umständen analysieren zu wollen, um so schnell als möglich auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, was das Risiko angeht, verletzt zu werden, womit ich beim zweiten Beispiel bin, nämlich der gespielten und irgendwie im Laufe der Zeit scheinbar verselbstständigten "Härte". Kein Gefühl zeigen, auch, wenn im Inneren Welten brechen. Hier wird grundsätzlich kein Gefühl gezeigt, nichts wird (offensichtlich!) an sich herangelassen und alles obliegt einem nach außen gezeugten"Ist mir egal". Bukowski nannte das in einem seiner Texte den "Frozen Man" auch, wenn er dem hier ein anderes Fundament zugrunde legt.
Es handelt sich also eher um den Versuch, alles Fühlen mit dem Denken (und wegreden diverser Emotionen) zu überdecken. Dass das natürlich schier unmöglich ist, liegt auf der Hand und das sagt ja auch der Text.
"Wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten"
von Götz Alzmann abgewandeltes Zitat eines Tucholski- Spruches
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Das hört sich btw aber eher so an, wie Menschen denen ein bisschen das Urvertrauen fehlt. So ein Verhalten könnte durchaus was damit zu tun haben, dass die in ihrer Kindheit es nötig hatten, ihre Umwelt so zu analysieren, um sich sicher zu fühlen, was ihre Grundbedürfnisse anbelangt.
Auch wieder eine offenbar rationale Handlung, die aber auch wieder auf ein emotionales Bedürfnis zurückgehen kann, wenn es z.B. so war, dass ein Elternteil nicht so bindungsfähig zu einem Kind war, so dass das Kind immer abschätzen lernen musste, wann es von den Eltern oder dem Elternteil oder welcher Bezugsperson auch immer Befriedigung der emotionalen Bedürfnisse erwarten konnte.
Ich denke mir aber sowieso (Zumindest ist das meine Erfahrung!), dass es nur wenige Menschen gibt, bei denen man rationale Überlegeungen im Umgang ganz fallen lassen kann und denen man rein emotional begegnen kann. Dazu gehört eine ganze Menge aneinander gewöhnt sein oder eben auch so etwas wie Liebe.
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